Passivrauchen: Die morschen Kulissen eines Potemkinschen Dorfs

 

Dass Passivrauchen „Krankheit und Tod“ bringt und Jahr um Jahr 3301 Menschen alleine in Deutschland tötet, gilt nach etwa einem Jahrzehnt intensivster PR-Arbeit der hiesigen Filiale der WHO Tobacco Free Initiative am DKFZ in Heidelberg längst als ganz selbstverständliches Allgemeinwissen. Die relativ zahlreich vertretenen Zweifler des Jahres 2006 schweigen oder erwähnen ihre stichhaltigen Einwände von damals höchstens noch in Nebensätzen, weil sie das verfolgte Ziel als solches ja eigentlich gar nicht für so übel halten. Manche haben ihre Zweifel unter Umständen auch ganz pragmatisch ihrer Karriere geopfert. Da ich aus persönlicher Erfahrung weiß, was „Dissidenten“ in dieser Frage droht, kommt mir das alles auch gar nicht weiter überraschend vor.

Vielleicht ist es Ihnen aber auch schon aufgefallen: Neue Studien zum Passivrauchen sind in den letzten Jahren kaum noch ins Gespräch gebracht worden. Ruht sich die Wissenschaft also auf ihren Lorbeeren der achtziger und der neunziger Jahre aus? Aus diesem Zeitraum nämlich stammen so gut wie alle Studien, mit denen beim Passivrauchen immer argumentiert wurde – bei so gut wie allem, was uns ab der zweiten Hälfte der nuller Jahren als neu verkauft wurde, handelte es sich um sogenannte Metaanalysen, gewissermaßen die Junk-Bonds unter den wissenschaftlichen Arbeiten, denn in ihnen wurden dieselben alten Studien, die längst bekannt und für sich alleine betrachtet nicht überzeugend genug ausgefallen waren, um als Grundlage für Nichtraucherschutzaktivitäten auszureichen, gebündelt und als vermeintlich neuer und nun zweifelsfreier Beleg präsentiert – fast genauso, wie in den USA jahrelang faule Immobilienkredite gebündelt und in dieser Verpackung als vermeintlich sichere Geldanlage angepriesen wurden. Bis das nach einigen Jahren einen Bankencrash und daraufhin eine weltumspannende Finanzkrise auslöste. Ob der Wissenschaft durch ihre „Junk-Bonds“ auch noch ähnliches bevorsteht, muss abgewartet werden.

Dass die Wissenschaft sich in den letzten Jahren dennoch weiter mit dem Passivrauchen befasst hat, wenn auch meist als Nebenprodukt von Arbeiten mit anderem inhaltlichem Schwerpunkt, ist nicht so bekannt. Ein in Zeiten sinkender Raucherzahlen mit zunehmender Häufigkeit untersuchtes Thema ist zum Beispiel Lungenkrebs bei Nichtrauchern. Passivrauchen wird dabei zwangsläufig mit ausgewertet. Dass die Ergebnisse dabei selten so ausfallen, wie die Tabakkontrolle sich das eigentlich wünschen würde, ist möglicherweise auch der Grund dafür, warum diese Ergebnisse nicht an die große Glocke gehängt werden. Da gab es beispielsweise im Jahr 2010 in Kanada eine Studie, die ziemlich sang- und klanglos in den Medien untergegangen ist, vermutlich weil die Ergebnisse den üblichen medialen Verstärkern nicht genehm waren.

Aufhorchen ließ aber auch eine Auswertung aus dem Forschungsprogramm der NHLBI Women’s Health Initative. Ziel dieser Initiative war es, die Gesundheit von Frauen im Alter von über 50 Jahren in einem weiteren Rahmen und mit Schwerpunkt auf Krebserkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen und Osteoporose zu untersuchen, um bekannte Risikofaktoren besser einschätzen zu können und bislang unerkannte zu identifizieren. Aus der Auswertung dieser Daten ist eine schier unglaubliche Menge an Studien entstanden. Auswertungen der Daten auch zum Thema Rauchen waren da fast schon obligatorisch, und näher betrachtet, finden sich tatsächlich auch ein paar, darunter aber komischerweise nicht diejenigen, mit denen man eigentlich gerechnet hätte. Zum Passivrauchen in Verbindung mit Lungenkrebs findet sich in dieser ganzen langen Liste zum Thema Krebs beispielsweise gar nichts.

Dieser Schein trügt allerdings, denn in Wirklichkeit wurden die Daten sehr wohl zur Frage Passivrauchen und Lungenkrebs ausgewertet. Auch eine dazugehörige Studie scheint es im Prinzip zu geben. Sie wurde aber nie publiziert. Was darin gestanden hätte, erfuhr man lediglich aus einem Artikel, der im Dezember 2013 im „Journal of the National Cancer Institute“ erschien. Bei diesem Artikel hatte es aber gleich die Überschrift gewaltig in sich: „No Clear Link Between Passive Smoking and Lung Cancer“, also: „Keine eindeutige Verbindung zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs“.

Solche Töne sind in Fachzeitschriften selten. Was war also in diesem Fall in sie gefahren? Ich kann auch nur spekulieren, aber ich nehme an, man konnte das unpassende Ergebnis nicht mehr völlig unter den Teppich kehren, nachdem es einige Monate zuvor, im Juni 2013, von den an der Studie Beteiligten bei einer Tagung der American Society of Clinical Oncology in Chicago präsentiert worden war.

„Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die sowohl aktives und passives Rauchen in Verbindung mit Lungenkrebs in einer vollständigen prospektiven Kohorte von Frauen in den USA untersucht“, so die bedauernswerte Studentin Ange Wang von der renommierten Stanford University, die in Chicago von den Leitern der Studie vorgeschickt wurde. Bei sogenannten Fall-Kontroll-Studien, erläuterte sie, sei mit verzerrenden Faktoren zu rechnen. Wer an einer Krankheit leidet, die auf Passivrauchen zurückzuführen sein könnte, der erinnert sich beispielsweise eher daran, Passivrauch ausgesetzt gewesen zu sein, als Angehörige einer Kontrollgruppe, die sich pumperlgesund fühlen und damit eine „Suche nach den Schuldigen“ von vornherein nicht vornehmen. Ein anderer von den zahlreichen weiteren Faktor, den ich ergänzen möchte: Der eigene aktuelle oder frühere Tabakkonsum kann von Erkrankten auch verschwiegen worden sein, um sich nicht dem ausdrücklichen oder stummen Vorwurf „Selbst schuld“ auszusetzen, mit dem jeder an Lungenkrebs Erkrankte heutzutage nun einmal zu rechnen hat.

Auch das ist starker Tobak, die angeblich zweifelsfrei ermittelten erhöhten Risiken aus früheren Studien in Frage zu stellen. Wie unwohl es Judy Peres, der Autorin des Artikels, bei all dem gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass sie, nachdem sie die peinliche Botschaft losgeworden war, sofort eine Expertin präsentierte, die sie in einem argumentativen Salto mortale wegzuerklären versuchte: Diese Entdeckung – halten Sie sich fest – sei in Wirklichkeit doch gar nicht neu.

Richtig – mir ist sie in der Tat nicht neu. Und dasselbe gilt natürlich für einen Wissenschaftler wie Geoffrey Kabat, der sich umgehend in den US-Medien mit einer ähnlichen Einschätzung zu Wort meldete. Als er selbst vor über zehn Jahren mit einem ganz ähnlichen Ergebnis wie die Wissenschaftler von Stanford an die Öffentlichkeit gegangen war, führte dies bekanntlich dazu, dass er umgehend als angeblicher Lakai der Tabakindustrie bekämpft wurde.

Die Kreise, die ihn damals und mich wenige Jahre später zum Feindbild erklärt haben, wollen diesen Satz „Das wissen wir doch schon lange“ aber in Wirklichkeit natürlich ganz anders verstanden wissen. Tatsächlich gab es nämlich in einer einzigen der verschiedenen passivrauchenden Nichtraucherinnengruppen eine schwache Assoziation mit Lungenkrebs, und zwar bei Frauen, die mehr als dreißig Jahre mit einem rauchenden Partner zusammengelebt hatten. Der Haken dabei: Das Ergebnis, so die Autoren der Studie, habe keine ausreichende statistische Aussagekraft, weil das Konfidenzintervall den Wert 1,00 mit einschließe.

Ich gebe das einfach mal so wieder, wie es in dem Artikel steht, ohne mich lange mit Erklärungen aufzuhalten, warum das Konfidenzintervall diesen Wert nicht mit einschließen dürfte, um eine sichere Aussage treffen zu können, denn meiner Meinung nach ist unabhängig davon das im Artikel angegebenen ermittelte erhöhte Risiko in Höhe von 1,6 noch ein gutes Stück von echter Aussagekraft entfernt. Wie ich bereits an früherer Stelle erläutert und begründet habe, sollte mindestens die einfache Wahrscheinlichkeit erreicht sein, um einen Zusammenhang zu unterstellen, und das ist bei einem Relativen Risiko von 2,0 (einer Verdoppelung des Risikos) der Fall. Ab diesem Wert spricht mehr für als gegen einen Zusammenhang, deshalb ist es vertretbar, dann einen Zusammenhang zu vermuten. Es war aber unter seriösen Wissenschaftlern lange üblich, noch höhere Relative Risiken zur Messlatte zu machen, bevor man mit einer neu entdeckten Verbindung zwischen einem Risikofaktor und einer Erkrankung an die Öffentlichkeit ging.

Der ermittelte Wert 1,6, heißt es nun aber – über den Hinweis der Autoren der Studie auf das Problem mit der nicht ausreichenden statistischen Aussagekraft wird dabei großzügig hinweggegangen –, entspreche in etwa den bereits bekannten Zahlen. Denn eine niemals rauchende Frau, die dreißig Jahre mit einem rauchenden Ehemann zusammenlebt, habe nach dem Stand der Wissenschaft ein etwa doppelt so hohes Risiko auf Lungenkrebs wie eine niemals rauchende Frau ohne diesen dreißig Jahre lang rauchenden Ehemann.

Liebe interessierte Leser – das Problem mit dem Konfidenzintervall und alle Bedenken um verzerrende Faktoren an dieser Stelle einmal ausgeklammert: Würden Sie wirklich jemandem Glauben schenken, der Ihnen weiszumachen versucht, zwischen einer Investition, die Ihnen innerhalb eines Zeitraums x einen Kapitalzuwachs von 60 Prozent verspricht, und einer, mit der Sie Ihren Einsatz im selben Zeitraum verdoppeln, also um hundert Prozent erhöhen, bestünde keinerlei Unterschied im Ergebnis?

Ich versichere Ihnen, es gibt ebenso wie in diesem Fall sehr wohl einen Unterschied zwischen einem um knapp über sechzig und einem um hundert Prozent erhöhten, also verdoppelten Relativen Risiko. Und das gilt ganz besonders, weil verzerrende Faktoren wie die oben beschriebenen umso stärker ins Gewicht fallen, je kleiner das gemessene Risiko ist. Man muss sich schon sehr davor fürchten, dass die Leute sich fragen könnten, ob sie das Passivrauchrisiko womöglich überschätzt hatten, um solche Differenzen rhetorisch auf so fragwürdige Weise einebnen zu wollen.

Sorgen müssen die Vorkämpfer der rauchfreien Welt sich aber in der Tat darüber machen, wie lange sich Nichtraucher von ihren Bedrohungsszenarien wohl noch ins Bockshorn jagen lassen. Das Ergebnis jener Auswertung lautete ja, näher betrachtet, dass Passivrauchen unter den allermeisten voneinander unterschiedenen Umständen in diesem Datenmaterial – etwa Passivrauchen im Elternhaus während der Kindheit oder Passivrauchen am Arbeitsplatz – überhaupt keinen messbaren Effekt auf das Lungenkrebsrisiko hatte. Im einzigen Fall, in dem das nicht so war, nämlich bei Nichtraucherinnen, die länger als dreißig Jahre mit einem rauchenden Partner zusammenlebten, war der Effekt immer noch so niedrig, dass es für richtig gehalten wurde, ihn durch diese unpassende Gleichsetzung wenigstens optisch ein Stück zu vergrößern. Damit soll offenbar verhindert werden, dass die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis gezogen werden.

Die wichtigste dieser Schlussfolgerungen: Die sich in den USA durch aggressives Lobbying schleichend weiter ausbreitenden weitergehenden Rauchverbote, etwa im Freien oder in Mietshäusern, haben ausweislich dieses Ergebnisses nicht die geringste gesundheitliche Wirkung und sind damit gesundheitspolitisch sinnlos. Im Gegenteil spricht vieles dafür, dass die größte Gefahr am Passivrauchen in den Ängsten besteht, die durch die heraufbeschworene gar nicht nachweisbare Gefährdung ausgelöst werden. Die zweitwichtigste: Die schon jahre- bis mancherorts jahrzehntelang bestehenden Rauchverbote an Arbeitsplätzen, in der Gastronomie oder in öffentlichen Verkehrsmitteln hatten und haben ebenfalls keinerlei gesundheitlichen Nutzen – jedenfalls im Kampf gegen Lungenkrebs.

Was soll unter diesem Gesichtspunkt betrachtet eigentlich aus der in einen rechtswirksamen internationalen Vertrag eingeflossenen Beschwörungsformel aus der FCTC, dem Rahmenübereinkommen zum Tabakgebrauch, „Die Vertragsparteien erkennen an, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht“?

Aber nicht doch!, belehrt die Expertin nunmehr in dem Artikel. Passivrauchen führe zwar nur zu einem marginal erhöhten Lungenkrebsrisiko, habe aber doch so viele andere negativen gesundheitlichen Effekte: Asthma, Atemwegsinfektionen und andere Erkrankungen der Atemwege, Herzkrankheiten …

Halten wir an dieser Stelle erst einmal fest: Jene Expertin – ihr Name lautet Jyoti Patel, Northwestern University School of Medicine – darf man also getrost so zitieren: Passivrauchen führt nur zu einem marginal erhöhten Lungenkrebsrisiko. Zitieren Sie das also gerne und ausgiebig, vorzugsweise mit exakter Quellenangabe. „Marginal“, das bedeutet: ein Risiko, das so gering ist, dass Sie vergleichbare und teils sogar noch um einiges höhere Risiken tagtäglich in anderen Bereichen eingehen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, und dass Bedenken auch gar nicht nötig sind. Wenn Sie einen Laserdrucker benutzen beispielsweise. Oder wenn Sie eine befahrene Straße entlanggehen. Oder wenn Sie Schichtarbeiter sind.

Wo nur haben sich aber die Nachweise für die angeblich zu berücksichtigenden zahlreichen anderen Gesundheitsrisiken durch Passivrauchen bei der NHLBI Women’s Health Initiative versteckt? Greifen wir die Herzerkrankungen einmal heraus, die ja einer der Schwerpunkte der Forschungsarbeit gewesen sind und gleichzeitig, glaubt man dem Deutschen Krebsforschungszentrum, für zwei Drittel aller durch Passivrauchen verursachten Todesfälle verantwortlich und damit auch das bedeutendste unter den dem Passivrauch zugeschriebenen Gesundheitsrisiken. Unter den immerhin 63 Studien zu Herzkrankheiten, die auf Basis genau derselben Daten durchgeführt wurden, findet sich ausweislich der Titel aber keine einzige mit Fokus auf Passivrauchen. Eine der aufgelisteten Studien, die den plötzlichen Herztod untersucht, zählt immerhin eine lange Latte an gefundenen Risikofaktoren auf. Passivrauchen ist unter ihnen aber nicht enthalten.

Es hat mich schon immer gewundert, wie einfach es gewesen ist, das Märchen von der segensreichen Wirkung von Rauchverboten in der Gastronomie auf die Entwicklung der Zahl der Herzinfarkte zu verbreiten, denn bis heute ergibt sich aus den deutschen Krankenhausdaten nicht der kleinste Beleg für die damaligen Behauptungen. Ich bin deshalb nicht im mindesten überrascht darüber, dass in den Daten der NHLBI Women’s Health Initiative auch keine Beweise gefunden wurden. Sie dürfen davon ausgehen, dass dasselbe auch für sämtliche weiteren aufgezählten Erkrankungen gilt.

Wenn Passivrauch aber weder am Arbeitsplatz noch in der eigenen Wohnung messbare Auswirkungen auf das Risiko für die einschlägigen Erkrankungen hat, dann gilt das natürlich auch für die nichtrauchenden Beschäftigten in der Gastronomie und ebenso für nichtrauchende Gäste.

Um solche an den Grundfesten der Tabakkontrolle rüttelnde Forschungsergebnisse überhaupt publik machen zu können, sind offenbar zahlreiche und tiefe verbale Verbeugungen und Verrenkungen nötig. Heather Wakelee, eine der Leiterinnen der Studie, hielt es sogar für nötig, höchstpersönlich in dem Artikel Einwände gegen ihr eigenes Ergebnis unterzubringen, darunter einen, den ich sehr bemerkenswert finde: Unter den fast vierzigtausend Nichtraucherinnen, so Wakelee, hätten sich ja in Wirklichkeit nur etwa viertausend gefunden, die keinem Passivrauch ausgesetzt gewesen seien. „Das bedeutet, fast alle waren Passivrauch ausgesetzt, deshalb ist es sehr schwierig zu sagen, ob Passivrauch das Problem verursacht hat“, schlussfolgert Frau Wakelee.

Das vernehme ich mit Interesse. Bei der NHLBI Women’s Health Initiative geht es ja immerhin um Daten, die in der zweiten Hälfte der neunziger und den nuller Jahren erhoben wurden – einem Zeitraum also, in dem der Raucheranteil an der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu früheren Untersuchungen um im Durchschnitt sicherlich zwischen 30 und 50 Prozent gesunken war, während Rauchverbote am Arbeitsplatz in den Vereinigten Staaten zwischen Ende der achtziger Jahre und dem Untersuchungszeitraum immer häufiger wurden und am Ende zur Norm geworden waren. Wenn aber dennoch immer noch so wenige „Nicht-Passivraucherinnen“ gefunden werden konnten, können Sie mir dann eigentlich verraten, aus welchem Zylinder sie in all den früheren Studien gezaubert worden sind? Dass es in den siebziger und achtziger Jahren dann ja noch viel schwieriger gewesen sein muss, Nichtraucher zu finden, die niemals Passivrauch ausgesetzt waren, versteht sich angesichts der damaligen Rahmenbedingungen eigentlich von selbst.

Nehme ich Wakelees Bedenken wörtlich, können also sämtliche Studien zum Passivrauchen nur ein einziges Ergebnis gehabt haben: „Es ist schwierig zu sagen, ob Passivrauchen das Problem verursacht hat.“ Wieso sagt die Tabakkontrolle das dann aber nicht, sondern versichert ständig, die Beweise im Fall des Passivrauchens seien eindeutig und erdrückend?

Frau Wakelee gibt in dem Artikel die richtige Antwort auf diese Frage: „Wir wollen nicht, dass die Leute die Schlussfolgerung ziehen, dass Passivrauchen keinen Effekt auf Lungenkrebs hat.“

So einfach ist das nämlich: Bestimmte Botschaften sind erwünscht, und andere sind unerwünscht, und das bestimmt die Sprachregelungen. Spricht ein Studienergebnis gegen Passivrauchen als Auslöser einer Krankheit, dann lautet die korrekte Antwort: „Es ist schwierig zu sagen, ob Passivrauchen eine Rolle spielt“, spricht es aber dafür, geht sie so: „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Passivrauchen eine Rolle spielt.“ Beides folgt der von Frau Wakelee beschriebenen Logik erwünschter und unerwünschter Botschaften – bei der es sich allerdings um keine wissenschaftliche Logik handelt, sondern um eine politische.

Den Grund, warum diese Botschaft so dringend erwünscht ist, dass man dafür wissenschaftliche Ergebnisse zu verfälschen bereit ist, liefert uns abschließend in dem Artikel noch die bereits erwähnte Jyoti Patel: „Der stärkste Grund, Passivrauchen zu vermeiden, ist, das gesellschaftliche Verhalten zu verändern, nicht in einer Gesellschaft zu leben, in der Rauchen die Norm ist.“

Fassen wir also zusammen: Bei der Wissenschaft vom Passivrauchen geht es nicht um die Gesundheit von Nichtrauchern, sondern um die Raucher und deren Umerziehung mit dem Ziel einer neuen gesellschaftlichen Norm. Nicht, dass mir das neu gewesen wäre. Neu ist nur, dass die Betreffenden beginnen, sich zu verplappern.

„Wir haben das Rauchen aus den Kneipen und den Restaurants hinausbekommen auf Basis der Tatsache, dass Sie und ich und andere Nichtraucher nicht sterben wollen“, wird in dem Artikel dann noch ein weiterer Experte zitiert, Gerard Silvestri von der Medical University of South Carolina. „Tatsache ist, das wird wahrscheinlich auch nicht geschehen.“

Tatsache ist aber auch, dass es dann von vornherein nie eine Nichtraucherschutzgesetzgebung gebraucht hätte. Und was mir bis heute nicht klar ist: War das in der Politik eigentlich auch schon bekannt, als sie hierzulande vor knapp zehn Jahren gesetzliche Rauchverbote in der Gastronomie beschlossen hat?

Dass man mit der Einführung von Rauchverboten einen Teil der Gastronomie über die Klinge springen lassen musste, war der Politik insgeheim natürlich schon klar. Wahrscheinlich hatte man sich überlegt, man müsse die erste, hässliche Phase halt irgendwie durchstehen – diejenige, in der die Gäste toben, Umsätze in den Keller und Kneipen pleite gehen würden –, um anschließend die Früchte dieser Mühe ernten zu können. Und ganz falsch war diese Überlegung natürlich auch nicht. Ernstzunehmenden aktiven Widerstand gab es fast überall auf der Welt gegen Rauchverbote in der Gastronomie nur in der Anfangsphase der ersten etwa zwei bis maximal drei Jahre. Hatte man die überstanden, konnte man den anschließend vor allem in Dorfwirtschaften, mindestens zu vorgerückter Stunde, gepflegten passiven Widerstand mittels Gesetzesübertretungen großzügig übersehen, jedenfalls solange keine Beschwerden kamen. Angesichts der hohen Fluktuation in der Gastronomie konnte man ja damit rechnen, dass über den unvermeidlichen Flurschaden durch das Rauchverbot bald wieder Gras gewachsen sein würde. Kurz, man setzte auf Gewöhnung an eine neue Normalität, in der niemand mehr das Rauchen in Gaststätten vermissen würde.

Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass das Kalkül bei den Rauchverboten aufgegangen ist, jedenfalls in Baden-Württemberg, wo die Ausnahmeregelung der Gastronomie noch ein wenig Spielraum gelassen hat. Trotzdem, wie vor einiger Zeit schon beschrieben, je kleiner ein Ort, desto schwieriger die Gratwanderung des dort oft einzigen Lokals, das nun einmal alle Zielgruppen unter den Bewohnern anziehen muss, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Wo in einem dörflichen Lokal eine Mehrraumlösung mit einem Raucher- und einem Nichtraucherraum besteht, ist es aber gerade dort häufig immer noch der Raucherraum, in dem sich alle diese Zielgruppen einfinden, um dem Wirt sein Auskommen zu sichern, während der Nichtraucherraum, der laut Gesetz der Hauptraum sein muss, nahezu leer ist.

Was würde wohl geschehen, wenn morgen das gesetzliche Rauchverbot aufgehoben würde? Stünden dann innerhalb weniger Tage wieder überall Aschenbecher auf den Tischen oder würde der neue Normalfall mehrheitlich nicht mehr in Frage gestellt werden? Da es aus gesundheitspolitischer Sicht, wie Sie sehen, gar keinen Grund gibt, die bestehenden Rauchverbote weiter aufrechtzuerhalten, könnte man dies unbesorgt ausprobieren, wenn man nur wollte.

Dazu las ich dieser Tage etwas Interessantes. In Schottland ist nämlich zehn Jahre nach dem dort eingeführten ausnahmslosen Rauchverbot in der Gastronomie laut einer Umfrage immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung dafür, das ausnahmslose Rauchverbot abzumildern und Raucherbereiche zuzulassen. Man sollte diese Leute wissen lassen, wie gut die Argumente, die sie auf ihrer Seite haben, auch aus epidemiologischer Sicht sind – ihren Willen durchsetzen müssen sie dann aber natürlich selbst.

Dieser Beitrag wurde unter Ohne Kategorie abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Passivrauchen: Die morschen Kulissen eines Potemkinschen Dorfs

  1. Pingback: [DE] Grieshaber - Passivrauchen: Die morschen Kulissen eines Potemkinschen Dorfs - DampfFreiheit

  2. drschnitzler schreibt:

    In der Tat demaskiert sich die Tabakkontrolle selbst, wenn sie schreibt:
    „(…) Für die Senkung des Tabakkonsums stehen mehrere evidenzbasierte Maßnahmen wie (…) Nichtraucherschutz (…) zur Verfügung. (…) Weitere und konsequentere Maßnahmen (…) sind notwendig.“

    Also: der „Nichtraucherschutz“ BEZWECKT ausdrücklich (allein?) eine Senkung des Tabakkonsums. Der Zweck heiligt also doch wieder die Mittel? Rechtsstaatlichkeit sieht anders aus.

    „Sehr wirksam ist auch die Einführung rauchfreier Arbeitsplätze, die Raucher zu einem Rauchstopp motiviert und zu einem Rückgang der Rauchprävalenz um fast 4% führt“

    (Schaller K, Pötschke-Langer M (2012): Tabakkontrolle in Deutschland und weltweit. Pneumologe 9:197–202)

    Kein einziges Wort mehr zu einem Rückgang der „Passivrauchopfer“ (Schnitzler A (2016): Wo bleibt die Erfolgskontrolle? Radiologe, Online First 11.04.2016). Der hypothetische Satz: „Kein einziger Mensch stirbt am Passivrauch!“ bleibt unwiderlegt. (Kommentar: wenn ein Arzt unter ausdrücklichem Bezug auf den ärztlichen Eid (!) die Tabakkontrolle in einem medizinischen Fachblatt bezweifeln darf (!), kann die Hypothese vom „Passivrauch“ eben doch nicht so feststehen, wie die Tabakkontrolle dies weismachen will.)
    Allgemein interessant auch „Im Land der Lügen“ (11.04.2016; ARD-Mediathek).

    So wie man – trotz bspw. M. Schumacher oder A. Merkel – Skifahren oder bspw. Bungee-Jumping gleichfalls nicht verbieten darf, sind generelle Rauchverbote in höchstem Maße unzulässig. Zulässig wären Verbote allein zu Gunsten Dritter, also Nichtraucher. Deren Gesundheit ist aber unter gar keinen Umständen tatsächlich, sondern allenfalls „abstrakt“ (rein hypothetisch) gefährdet. Erinnert sei an den berühmten Fall des angeblich gestorbenen Flüchtlings in Berlin, Anfang 2016: niemand braucht ein „Risiko“ per se zu bestreiten, die Tatsache war dagegen handfest erlogen und erstunken, genau wie die angeblichen „Passivrauchtoten“.

    Für den eklatanten Mangel an Beweisen der Tabakkontrolle für ihre abenteuerlichen Behauptungen ist im übrigen kennzeichnend, dass sie sich in letzter Zeit praktisch nur noch auf den „Schutz der Jugend“ zurückzieht (Kuntz B, Lampert T (2016): Tabakkonsum und Passivrauchbelastung bei Jugendlichen in Deutschland. Dtsch Arztebl 113:A23-30); muss sie doch zudem eingestehen, dass sich die Zahl der Raucher allenfalls marginal verringert hat (s.o., 2012), obwohl die „Passivrauchbelastung“ um rund 80% reduziert wurde.

    Darf man aber aus Gründen reiner „Prävention“ handfeste Grundrechte – auch einer Minderheit – auf Dauer und allüberall außer Kraft setzen, selbst wenn das Rauchen lediglich ein „Recht auf Unvernunft“ wäre?

  3. Ben Palmer schreibt:

    Wie im Artikel treffend erwähnt, hat sich der Protest der rauchenden Gemeinschaft und der einzelnen Raucher wenige Jahre nach den Rauchverboten gelegt. Raucher gehören eben keiner Gruppierung an, deren Interessen sich ausschliesslich oder vorwiegend um das Rauchen ranken. Rauchen ist ein Lebensstil und keine Hauptbeschäftigung..
    ich hatte mich schon im Vorfeld der politischen Diskussionen um ein eventuelles Rauchverbot intensiv mit den „wissenschaftlichen Studien“ zu den Passivrauchtoten auseinandergesetzt und die wissenschaftlich fragwürdigen Methoden und Schlussfolgerungen dem Gesundheitsbehörden (Schweiz), Anti-Raucherorganisationen, Medizinern, Universitätsprofessoren und Politikern, sachlich begründet, als nicht stichhaltig entgegengehalten; zwecklos.
    Ich verfolge auch weiterhin ab und zu die zu diesem Thema wichtigsten Daten, nämlich die Entwicklung der Sterbestatistiken, wo sich doch gemäss den Vorhersagen einschlägiger Kreise die wichtigsten Erfolge abzeichnen sollten.
    Im Kanton Genf verliefen vor dem Rauchverbot die Todesfälle durch Herzinfarkte seit fast 20 Jahren (so wit wie die Statistiken reichen) auf einem fast linearen Abwärtstrend. Dieser Trend wurden zum ersten mal nach dem Rauchverbot umgedreht; ein Jahr nach dem Rauchverbot zeigt sich eine klare Zunahme. Das selbe gilt für die Atemwegserkrankungen, deren Trend zwar nicht gleichmässig aber kontinuierlich zurück ging. Nach dem Rauchverbot ist eine Stagnation in diesem Abwärtstrend festzustelle. Ähnliches gilt für die Gesamtschweiz. Die Kurve für Todesfälle für Herz-Kreislauferkranken verlief über ein Jahrzehnt ohne signifikanten Trend, zeigt im Jahr vor dem Rauchverbot einen leichten Einbruch um im Jahr danach wieder auf den alten Stand zu steigen.
    Ich bin überzeugt, dass Statistiken in anderen Ländern Ähnliches zeigen.
    Viel Rauch um nichts. Der Gesetzgeber und die Gesundheitsbehörden dürfen beruhigt schlafen, sie haben ihre Schuldigkeit getan, auch wenn sie nichts erreicht haben.

    PS. Ich treffe mich ab und zu mit Freunden in Restaurants in der Genfer Altstadt wo man in einem separaten Raum noch Aschenbecher auf dem Tisch bekommt. Dies obwohl die Die Behörden eine Busse von bis zu 30’000 Fr. für die Besitzer ausgesetzt haben, falls Gäste beim Rauchen erwischt werden. Selbst das Personal raucht im Winter hinter der Theke, weil es draussen zu kalt ist. Der Gesetzgeber lädt mit unsinnigen und unverständlichen Gesetzen geradezu dazu ein, sie zu umgehen. Im Fachjargon nennt man das „Beat the System“.

  4. Comprehensive new study shows passive smoking doesn’t cause cancer:

    Study: Passive Smoking Doesn’t Cause Cancer

Hinterlasse einen Kommentar